So gelingt Potenzialentfaltung in der Hochschullehre

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Mich hat in den vergangenen Wochen viel bewegt. Ich habe mir immer wieder ähnliche Fragen gestellt: Was würde diese Welt friedlicher machen? Was würde dazu beitragen, dass alle Menschen freundlicher miteinander umgehen? Wie können wir weg vom Konkurrenzdenken, hin zu einem kooperativen Miteinander kommen? Punkte, bei denen wir ansetzen können, gibt es viele. Wir können nicht alle auf einmal angehen; das würde zu einer Überforderung führen. Es gibt jedoch einen Aspekt, den wir in den Fokus nehmen können, der sich besonders positiv auswirken würde und direkte Auswirkungen auf das Glücklichsein jedes/jeder Einzelnen hat. Und das ist die Potenzialentfaltung.

 

Potenzialentfaltung bedeutet: Das Potenzial, das in einer Person steckt, zu erkennen, zu fördern und dieses in einer (beruflichen) Tätigkeit zu entfalten, die regelmäßig ausgeübt wird. Das zu leben, was man kann und liebt. Und dieses Potenzial eines Menschen für die Welt nutzbar machen.

Dabei erfasst das Potenzial u. a. die eigenen Talente und Fähigkeiten sowie das, was aus unserem Innersten kommt. Etwas, bei dem wir jegliches Zeitgefühl verlieren, wenn wir es ausüben. Etwas, bei dem ein Mensch „in seinem Element“ ist.

 

Positive Wirkung von Potenzialentfaltung

Der Mensch, der sein Potenzial lebt, ist völlig bei sich. Er empfindet Zufriedenheit und innere Ausgeglichenheit. Er ist glücklicher, gesünder und friedlicher. Und die Person lebt das dann auch im Außen. Das ist der Nährboden für ein gemeinsames, kooperatives Miteinander, für gemeinsames kollektives Wachstum und Innovationen. Auf dieser Grundlage können neue Projekte entwickelt und Ideen in die Tat umgesetzt werden. Wenn es uns als Menschen gelingt, Missgunst, Neid- und Konkurrenzverhalten abzulegen, schaffen wir Frieden. Das Glück jedes Einzelnen bewirkt das Glück der Gemeinschaft. Und das kollektive Glück wiederum fördert das Glück jedes Individuums. Das Gefühl der Verbundenheit verstärkt sich. Wenn jeder Mensch sein Potenzial leben kann, erzielt er die bestmöglichen Ergebnisse, von denen wiederum auch alle anderen profitieren. Denn seine/ihre Ergebnisse stellt der/die Einzelne für die Gemeinschaft zur Verfügung. Wenn der Großteil der Menschen so lebt, gibt es keine Grundlage mehr für kollektive Unzufriedenheit, Aggression oder (zwischenmenschliche) Kriege.

Als Hochschullehrende:r werden Sie sich glücklich fühlen, wenn Sie beobachten, wie die Studierenden sich durch Ihre Anregung voller Freude mit ihren Potenzialen befassen. Und was die Studierenden dann im Ergebnis auch erreichen werden. Gerade wenn Sie erst beginnen, sich mit der Potenzialentfaltung zu befassen, geht es nicht darum, dass Sie direkt alle Studierenden abholen. Das ist klar. Aber stellen Sie sich vor, welche Auswirkungen es hätte, wenn bereits ein oder zwei Studierende ihren Potenzialen entsprechend leben. Und diese wiederum andere fördern. Und diese dann auch wieder andere bei ihrer Potenzialentfaltung unterstützen.

 

Als Hochschullehrende:r Potenzialentfaltung ermöglichen

Als Hochschullehrende:r gehören Sie zu den Menschen, die bei der Potenzialentfaltung eine bedeutsame Rolle spielen: Das Studium bietet den Studierenden Gelegenheit, sich mit ihren Interessen und Fähigkeiten zu verbinden, sich zu entwickeln und hier kommen sie auch mit anderen in Kontakt. Gerald Hüther weist darauf hin, dass wir innerhalb einer Gemeinschaft in der Lage sind, die in uns angelegten Potenziale zu entfalten. Andere fungieren wie eine Art Spiegel. So erhält beispielsweise ein Mensch, der komplexe Zusammenhänge bildlich so darstellen kann, dass andere sie schnell erfassen können, durch die Rückmeldung der anderen für sich die Erkenntnis, dass dies eine besondere Begabung ist. Außerdem erhält er im Zusammenspiel mit anderen dann zusätzlich die Möglichkeit, zu wachsen.

Potenzialentfaltung in der Hochschullehre gelingt, wenn Sie in Ihrer Lehrveranstaltung Freiräume schaffen und eine individuelle Entwicklung der Studierenden ermöglichen. Autonomie schafft für die Studierenden den Rahmen, ihr Potenzial von innen heraus zu entfalten. Die Studierenden benötigen Raum und Zeit, um sich ausprobieren zu können und vor allem, damit sie einen Zugang zu sich dahingehend bekommen, wo sie reingehen wollen, was sie erfahren wollen, was sie voranbringen wollen. Wenn sie etwas interessiert, werden sie ihrem inneren Antrieb folgen und in diesem Bereich lernen und wachsen. Ständiger Input in Form von Vorgaben und Anleitungen von außen unterbindet den Prozess der Potenzialentfaltung. Sie unterstützen die Studierenden vielmehr dadurch, dass Sie sie beobachten, wahrnehmen und diese Beobachtung mit ihnen teilen, z. B. ein besonderes Talent ansprechen oder Studierende, die sich mit Themenwünschen oder inhaltlichen Rückfragen an Sie wenden, auf dem Weg zur Lösung unterstützen. Die Lösung entwickeln die Studierenden selbst. Genau darin liegt persönliches Wachstum. Das ist natürlich sehr weit weg von starren Unterrichtsvorgaben. Und mir ist klar, dass hier keine Veränderung von heute auf morgen erfolgen wird. Punktuelle Veränderungen können allerdings bereits sehr viel bewirken.

Erforderlich ist darüber hinaus auch ein angenehmes, freundliches Arbeitsklima, das von Sicherheit, Vertrauen und Verbundenheit geprägt ist. Menschlichkeit ist ein weiterer Aspekt. Ein Klima, in dem die Studierenden sich fallen lassen und völlig frei alle Ideen und Gedanken teilen können ohne dafür bewertet zu werden.  Nur so ist es möglich, das was in ihnen schlummert, wirklich an die Oberfläche zu bringen.

Die Potenzialentfaltung von Gruppen ist dann möglich, wenn alle Personen der Gemeinschaft ein gemeinsames Anliegen teilen und dieses umsetzen wollen. Dann gibt jede/r Einzelne alles, um dieses Ziel zu erreichen und es bedarf keiner Motivation von außen. Entscheidend ist, dass alle Mitglieder die innere Haltung haben, das gemeinsame Anliegen zu fördern, sich dafür voll einzubringen und mit Leidenschaft dabei zu sein.

 

Potenzialentfaltung ermöglicht es jedem Menschen, in völligem Einklang mit sich und allen anderen zu leben. Gehen wir es an! Richten wir den Fokus auf unser Potenzial und dann auf das Potenzial der Studierenden und unterstützen sie dabei, es zu entdecken, zu bergen und zu leben.