Lernen ist ein emotionales Erlebnis. Erfolgreiche Inhaltsvermittlung erfolgt über die Sach- und Beziehungsebene.

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Wenn Lehren allein auf die Lehrstoffvermittlung reduziert wird, springen der Funke und die Leidenschaft der Lehrenden nicht über. Das ist nicht nur für die Lehrenden frustrierend und unbefriedigend, es begrenzt auch den Lernprozess und die Lernchancen der Studierenden. Bildung besteht aus den Komponenten Inhalt und Beziehung. Inhalt kann ohne eine funktionierende Beziehungsebene nicht nachhaltig vermittelt werden.

Die enorme Wichtigkeit der zwischenmenschlichen Beziehung für den Erfolg der Inhaltsvermittlung kann auch neurobiologisch erklärt werden: Unser Körper schüttet Glückshormone aus, wenn wir uns wahrgenommen und sozial eingebunden fühlen. Dazu gehört der körpereigene Botenstoff Dopamin. Wissenschaftlicher:innen haben festgestellt, dass dank des Dopamins das Gelernte besser zu verarbeiten ist. Ferner findet eine Zellen-Vernetzung statt, die für Wachstum sorgen kann. Außerdem wird im Rahmen des Lehrens und Lernens auf beziehungsdidaktischer Ebene die Oxytocin-Produktion angeregt. Gemeinsam mit den körpereigenen Opioiden erhöht dies das Wohlbefinden und stärkt das Vertrauen in andere Menschen sowie die Kooperationsbereitschaft und verhilft zu einem besseren Miteinander.

Wissenschaftlich bekannt ist auch, dass die Speicherung von Erlerntem im Gehirn viel länger anhält, wenn diese Erkenntnisse im Zusammenhang mit starken Emotionen erlangt worden sind.

Die Interaktion und insbesondere die menschliche Begegnung zwischen den Lehrenden und den Studierenden stellen einen Schlüsselaspekt dar. Was umfasst eine lernfördernde Beziehung? Ich habe hierfür drei Punkte zusammengestellt:

1) Die Lehrenden als Lernbegleiter:innen kommunizieren mit den Studierenden auf Augenhöhe. Das hat für beide Seiten enorme Vorteile: Lehrende setzen sich häufig unter Druck, weil sie glauben, alles wissen und jede Frage beantworten zu müssen. Das können sie jedoch nicht. Niemand kann das. Und darum geht es auch nicht. Auch Lehrende lernen stetig dazu und wenn diese Offenheit für den eigenen Lernprozess besteht, kommt es zu einer (Fort-) Entwicklung. Neue Perspektiven, neue Ergebnisse und innovative Denkansätze sind die Folge. Der Lernprozess ist nicht komplett steuerbar. Studierende erhalten dafür die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten und den Inhalt selbst zu konstruieren und damit effektiv zu lernen.

2) Die Lehrenden erkennen, dass es nicht darum geht, ausschließlich den Lehrstoff im Hinblick auf eine bevorstehende Prüfung zu vermitteln, sondern vielmehr eine Lernumgebung zu schaffen, die es ermöglicht, Potenziale zu erkennen und zu fördern sowie sich zu entwickeln. Und eine Lernatmosphäre herzustellen, die die Kompetenz im Hinblick auf eine konstruktive Kommunikation stärkt. Sich miteinander im Dialog auszutauschen, wirkt sich direkt positiv auf die Inhaltsvermittlung aus.

3) Die Lust am lebenslangen Lernen wecken. Die Vermittlung von Methodenkompetenz steht hierbei im Vordergrund und weniger die Beschallung in Form einer Wissensflut.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich bei der/dem ein oder anderen Lehrenden innerlich Gegenwehr bildet. Schließlich sieht ein nicht unerheblicher Teil der am Bildungsprozess Beteiligten es nach wie vor so, dass die Wissensvermittlung nahezu ausschließlich der bevorstehenden Prüfung dient. Ich komme aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich, in dem diese Ansicht sehr stark präsent ist.

Ich möchte dazu ermutigen, hier neu zu denken. Ist es nicht so, dass uns diese bisher gelebte Art des Lehrens und Lernens dazu gebracht hat, dass wir heute kaum noch Inhalte aus der Zeit des Studiums präsent haben? Wir dürfen uns außerdem fragen, welcher Menschentypus im Rahmen dieser Wissensvermittlung kreiert wird?!

Akzeptanz, Förderung, gegenseitige Hilfe, das Zusammenwirken unterschiedlicher Fähigkeiten, soziales und emotionales Lernen – all das umfasst konstruktivistische Didaktik, deren Ansinnen es u. a. ist, keine ignoranten Einzelkämpfer:innen auszubilden, sondern Individuen, die die Gesellschaft mit ihren Talenten und Kenntnissen bereichern.

Die Beziehungsebene hat also einen enormen Anteil im Rahmen der erfolgreichen Wissensvermittlung.